Neumünster holt wieder Kinder aus der Ukraine für eine Auszeit an der Ostsee
Ausgelassene Stimmung bei den Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine. 14 Tage genießen sie eine Auszeit an der Ostsee.
Neumünsters Oberbürgermeister Tobias Bergmann war letzte Woche selbst in der Ukraine. Jetzt begrüßte er 54 Kinder im Feriencamp Lensterstrand an der Ostsee. Finn Lasse Streckwaldt
Finn Lasse Streckwaldt
Neumünster Die Sonne scheint, aus den Lautsprechern erklingt fröhliche Musik, und immer wieder mischt sich fröhliches Kinderlachen darunter. Am Feriencamp Lensterstrand bei Grömitz an der Ostsee herrscht ausgelassene Ferienstimmung. Noch vor wenigen Tagen klang der Alltag dieser Kinder jedoch ganz anders – statt Musik hörten sie den schrillen Alarm des Handys, der vor russischen Bomben warnte.Die 54 Mädchen und Jungen, die hier lachend zwischen den Zelten umherlaufen und Fußball spielen, stammen aus der Ukraine, genauer aus Neumünsters Partnerstadt Nowowolynsk. Auf Einladung des Jugendverbandes Neumünster (JVN) verbringen sie einige Tage an der Ostsee – „Urlaub vom Krieg“, wie sie es selbst nennen.
Keine Gelder vom Land
Es ist bereits das sechste Camp im vierten Jahr für die Kinder aus der Ukraine – und das trotz erheblicher Schwierigkeiten. Anfang des Jahres kam die Nachricht, dass die finanzielle Unterstützung des Landes Schleswig-Holstein ausbleiben würde. „Wir haben in diesem Jahr leider keine Möglichkeit gefunden, Mittel für dieses Projekt zu akquirieren“, erklärte Johannes Albig, Staatssekretär im Sozialministerium, bei seinem Besuch im Camp. Dass es dennoch stattfinden konnte, liegt am ehrenamtlichen Engagement und einem „Puffer aus Spendengeldern“ aus den Vorjahren. „Wir finden immer Mittel und Möglichkeiten. Genau für solche Fälle haben wir Rücklagen – damit wir die Kinder nicht enttäuschen müssen“, betont der Ehrenvorsitzende des JVN und treibende Kraft hinter dem Zeltlager, Dietrich „Didi“ Mohr.
Für die Kinder und Jugendlichen ist dieser Aufenthalt eine dringend benötigte Auszeit vom Krieg. „Das sind alles Kinder von Soldaten, deren Väter an der Front kämpfen oder vielleicht schon tot sind“, sagt Didi Mohr. Erst vergangene Woche war er gemeinsam mit Tobias Bergmann, Rüdiger Schwarz vom Kreissportverband Neumünster (KSV) und weiteren Vertretern in der Ukraine. Dort habe er erlebt, wie bereits Jugendliche für den Militärdienst vorbereitet werden. „Was bleibt ihnen auch anderes übrig“, meint er. Manche der Kinder hier an der Ostsee stehen kurz davor, dieses Alter zu erreichen. „Wer weiß, ob das hier dann ihr letzter Urlaub war“, sagt er mit Blick auf die spielenden Kinder.
Lange Wartezeiten an der EU-Außengrenze
Auch die Anreise nach Schleswig-Holstein gestaltete sich schwierig. „Wir standen über acht Stunden vor der polnischen Grenze. Dabei konnten wir den Übergang die ganze Zeit sehen“, erinnert sich Rüdiger Schwarz vom KSV. Der Verband betreibt das Feriencamp Lensterstrand. Auch ein offizielles Schreiben des Generalkonsulats der Ukraine konnte die Einreise nicht beschleunigen. Neben den Schülern sind auch sechs Lehrerinnen aus der Ukraine dabei – darunter Inna, deren Ehemann derzeit an der Front kämpft. Im Moment zählt für sie vor allem eines: Dass die Kinder eine schöne Zeit haben. „Hier gibt es keine Sirenen, keinen Alarm. Die Kinder können einfach Kind sein.“
Unter den Gästen des Camps war auch die Generalkonsulin der Ukraine, Iryna Tybinka. Sie lobte das Projekt als wichtigen Beitrag zur Stärke und Widerstandsfähigkeit der Kinder: „Zu wissen, dass du nicht alleine bist, sondern Freunde hast, die dir zur Seite stehen, ist enorm wichtig.“ Die Stärke ihrer Landsleute beeindrucke sie jedes Mal aufs Neue: „Ich komme immer wieder aus der Ukraine zurück mit so einer Begeisterung. Die Menschen dort wollen nicht aufgeben.“
Insgesamt 14 Tage werden die ukrainischen Kinder und Jugendlichen im Feriencamp Lensterstrand verbringen. Auf dem Programm stehen ein Besuch im Hansa-Park, eine Kanutour und ein Ausflug nach Lübeck. Doch auf die Frage, worauf sie sich am meisten freuen, ist die Antwort oft dieselbe: „Wir wollen unbedingt mal Hamburg sehen.“